Freitag, 5. Januar 2024

Begriffsvertauschung und Meinungsmanipulation

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg vom 04. 01. 2024

Gespräch mit Dr. phil. Emil Großhans, emeritierter Professor für Linguistik, Bochum (1)

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Die Medien werden heute zu Recht als vierte Gewalt im Staate bezeichnet. Nicht selten missbrauchen sie ihre Macht, um das Volk zu manipulieren, das heißt ihren Konsumenten Gedanken einzuflößen, die ihren Interessen widersprechen. Heute wollen wir die Begriffsvertauschung behandeln.

Noam Chomsky: 

"In kapitalistischen Demokratien ist die politische Macht in einem Spannungsfeld angesiedelt. Demokratie heißt im Prinzip Herrschaft des Volkes. Aber die Entscheidungsbefugnisse über zentrale Bereiche des Lebens liegt in privaten Händen, was weitreichende Auswirkungen auf die gesamt Gesellschaftsordnung hast." (vgl. Literaturempfehlung, Vorwort)

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Die Einsicht: Herr Großhans, was ist eine Begriffsvertauschung?

Herr Großhans: Die Begriffsvertauschung ist der wohl bedeutendste aller Trugschlüsse.

Die Einsicht: Können Sie uns ein Beispiel sagen?

Herr Großhans: Herr Weber hat doch in der Einsicht vom Nr. 1.2024 ein Beispiel mit Verwendung des Ausdrucks Demokratie gebracht.

Die Einsicht: Aber wie funktioniert die Begriffsvertauschung?

Herr Großhans: Da muss ich ausholen. Was eine Begriffsvertauschung ist, lernt man aus durchsichtigen Gründen weder auf der Schule noch auf der Universität.

Die Einsicht: Warum nicht?

Herr Großhans: Die Herrschenden wollen nicht, dass die Menschen die Meinungsmanipulation durch Begriffsvertauschung durch erkennen.

Die Einsicht: Dann holen Sie bitte aus.

Herr Großhans: Ich muss zunächst die Bedeutung zweier Wörter klären. Da ist zunächst das Wort Synonym. Es ist bezeichnet ein Wort, das gleichbedeutend mit einem anderen Wort ist. Ein Synonym für Wort ist beispielsweise Ausdruck. Das Gegenteil des Synonyms ist das Homonym, ein Wort mit mehreren Bedeutungen, Beispiel Leiter oder Mutter.

Die Einsicht: Wir sehen noch nicht, was das uns der Begriffsvertauschung näherbringen soll.

Herr Großhans: Die Begriffsvertauschung funktioniert mit Homonymen. Ein logischer Trugschluss mit einem Homonym könnte wie folgt lauten: Ich habe im Baumarkt eine Mutter gekauft. Eine Mutter ist ein weiblicher Mensch, Trugschluss: ich habe einen weiblichen Menschen gekauft.

Die Einsicht: Aber mit sowas kann man doch niemanden übertölpeln.

Herr Großhans: Das Beispiel zeigt die Funktionsweise der Begriffsvertauschung. Setzten Sie mal für das Wort Mutter das Wort Demokratie ein. Wem ist schon bewusst, dass „Demokratie“ dem Wortsinn nach Herrschaft des Volkes bedeutet. Dagegen wird es von den Herrschenden heute im Sinne „Parlamentssystem“. Man kann aber mit guten Gründen bezweifeln, ob dieses System dem Volkswillen zur Geltung verhilft. Je mehr die unterschiedlichen Bedeutungen eines Wortes beieinander liegen, desto schwerer ist es, eine Begriffsvertauschung zu erkennen. Wen überzeugt der Trugschluss, bei uns hat das Volk die Macht, weil wir in einer parlamentarischen Demokratie leben, nicht, wenn er nicht weiß, was eine Begriffsvertauschung ist.

Die Einsicht: Herr Großhans, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Herr Großhans: Ich möchte noch etwas nachtragen. Der lateinische Ausdruck für Begriffsvertauschung ist quaternio terminorum. Damit kann man vielleicht den Gegner beeindrucken.

Die Einsicht: Danke für diesen Hinweis.

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Anmerkung 1: Name und Ort von der Redaktion geändert.

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Literaturempfehlung: Chomsky, Noam: Media Control - Wie die Medien uns manipulieren. Nomen Verlag, Frankfurt a. M. 2018 (22. Auflage 2022)

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