Samstag, 23. März 2024

Über Ideologie

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 15 aus 2024 vom 25.3.2024 _______________________________________________

 „Ideologie“ ist ein recht geläufiges Wort. Seine Bedeutung ist nicht immer klar. Wir wollen uns um Verständnis bemühen und darüber mit Herr Heinz Weber aus Torgau 1 sprechen. Dabei haben wir den Abschnitt über Ideologie aus dem Traktat über Logik und Sprache von Wilhelm Rettler verwendet. (Name und Ort von der Redaktion geändert.)

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Die Einsicht: Herr Weber, was ist Ideologie?

Herr Weber: Friedrich Engels sagte, die Ideologie ist ein Prozess, der zwar mit Bewusstsein vom sogenannten Denker vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewusstsein. 2 An anderer Stelle sagte er, erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes, dann dreht man den Spieß um und misst den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten. (MEW 39, 97) Also: Ideologie ist falsches Bewusstsein. (3 MEW 20, 89)

Die Einsicht: Gibt es auch andere Definitionen?

Herr Weber: Durchaus, es ist daran zu erinnern, dass die Theoretiker im Philosophischen Wörterbuch die sozialistische Ideologie als den Marxismus-Leninismus bezeichnen. Kombiniert man damit die Definition von Engels so würde daraus logisch folgern, dass der Marxismus-Leninismus das falsche sozialistische Bewusstsein ist. Die Definition im Philosophischen Wörterbuch ist damit ad absurdum geführt.

Die Einsicht: Wie ist die Diskussion über die unterschiedlichen Definitionen zu beurteilen?

Herr Weber: Die Verwendung des richtigen Ideologiebegriffs kann gar nicht überschätzt werden. Der Ausdruck Ideologie erfreut sich heute in bürgerlichen Kreisen großer Beliebtheit. Er hat sich zu einem pejorativen Kampfausdruck entwickelt. Er wird gerne verwendet, wenn man den Gegner beschimpfen will. Die Verwendung des Wortes ideologisch ist in der Regel ein sichereres Zeichen für Polemik und oft der Versuch geistigen Totschlags. Die Kommunisten sollten der bürgerlichen Ideologie, also dem falschen Bewusstsein der Bourgeoisie, nicht die „sozialistische Ideologie“ entgegensetzen, sondern die wissenschaftliche Weltanschauung. Sonst kann ihnen vorgeworfen werden, sie hätten falsches Bewusstsein.

Die Einsicht: Herr Weber, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Samstag, 16. März 2024

Über historischen Materialismus

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 14 aus 24 vom 16.3.2024

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Kürzlich brachte St. Messerschmidt auf Facebook ein Zitat von Marx aus Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort, MEW 13, 9. Es handelt sich um einen bedeutenden Text, der weitreichende Schlussfolgerungen zulassen könnte. Die Einsicht sprach darüber mit Herrn Rettler.

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Die Einsicht: Herr Rettler, diese Einsicht ist mit „Über historischen Materialismus“ überschrieben. Können Sie zunächst erklären, was historischer Materialismus bedeutet.

Herr Rettler: Für mich ist historischer Materialismus die Anwendung des dialektischen Materialismus auf die Geschichte.

Die Einsicht: Da stellt sich die Frage, was dialektischer Materialismus ist.

Herr Rettler: Das würde im Rahmen dieser Einsicht zu weit führen. Lassen Sie mich Marx aus MEW 13, 9 zitieren.

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“ 

Die Einsicht: Was sind Produktivkräfte und was sind Produktionsverhältnisse:

Herr Rettler: Zu den Produktivkräften gehören alle subjektiven und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses, z.B. die Menschen und die Produktionsmittel. Zu den Produktionsverhältnissen sind Verhältnisse zwischen den Menschen im Prozess der Produktion.

Die Einsicht: Dann spricht man also von kapitalistischen Produktionsverhältnissen, weil es um die Verhältnisse zwischen den Menschen im Prozess der Produktion geht, nicht aber von kapitalistischen Produktivkräften.

Herr Rettler: Genau.

Die Einsicht: Warum ist nun das Marx-Zitat aus 13, 9 so wichtig. 

Herr Rettler: Wenn man die Geschichte des Sozialismus betrachtet, so ist dies auch eine Geschichte von Niederlagen. Dies mit Verrat oder Dummheit zu erklären, erscheint zu kurz gegriffen. Wenn man sich den Text von Marx vor Augen hält, dann stellt sich die Frage, ob die Verhältnisse nicht reif genug für den Sozialismus waren. In diesem Sinne könnte man Lenins NÖP (Neue Ökonomische Politik) interpretieren. Eine ähnliche Interpretation bietet sich bezüglich der Wirtschaftspolitik Chinas an, die die kapitalistische Wirtschaft unter Macht der Partei instrumentalisiert.

Die Einsicht: Herr Rettler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.



Verhältnismäßigkeitsprinzip

  Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 21 aus 2024 vom 29.4.2024 ______________________________________________________________ Gespr...