Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg vom 20.12.2023
Gespräch mit Dr. phil. Emil Großhans, emeritierter Professor für Linguistik, Bochum
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Zunächst war ein Interview mit Herrn Pfarrer Dipl. Päd. Hartwig Müller vom Evangelischen Studienkreis Bad Drieburg vorgesehen. Bedauerlicherweise nahm Herr Müller von seiner Interviewzusage Abstand, nachdem er vom Titel „Falschwort Antisemitismus“ erfahren hatte. Er wolle sich nicht für ein antisemitisches Machwerk hergeben. Herr Professor Großhans hat sich erfreulicherweise bereit erklärt, den Part des Herrn Müller zu übernehmen.
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Die Einsicht: Herr Großhans, sind Sie ein Antisemit?
Herr Großhans: Ich bin ein entschiedener Gegner von Judenfeindlichkeit und Judenhass.
Die Einsicht: Herr Müller vom Evangelischen Studienkreis Bad Drieburg hat unser Thema als antisemitisch bezeichnet.
Herr Großhans: Herr Müller weiß nicht, wovon er redet. Er weiß offenbar nicht einmal, was ein Falschwort ist.
Die Einsicht: Können Sie das erklären?
Herr Großhans: Da muss ich ausholen. Ein Wort (Hauptwort) ist ein Zeichen, welches durch willkürliche Bestimmung mit einem Begriff, d.h. seiner Bedeutung, verbunden ist. Es gibt mehrere Arten von Falschwörter. Bei dem Wort Antisemitismus liegt ein Fall des Widerspruchs zwischen Wortsinn und Wortbedeutung vor. „Anti“ ist lateinisch und bedeutet gegen. „Semitismus“ kommt von Semiten. [vgl. Anmerkung-1] Der Antisemitismusforscher Bergmann führt aus, dass mit dem Teilwort Semitismus bei Schaffung des Ausdrucks Antisemitismus Ende des 19. Jahrhunderts versucht worden sei, den Geist der semitischen Völker im Unterschied zu dem der Indogermanen zu erfassen und abzuwerten. Das Problem besteht nun darin, dass zu den Semiten nicht nur die Juden, sondern auch die Araber gehören.
Die Einsicht: Dann ist der Wortsinn von Antisemitismus Juden- und Araberfeindlichkeit bzw. Juden- und Araberhass?
Herr Großhans: Genau, „Antisemitismus“ darf aber nicht auf Araber angewendet werden. Ein Widerspruch zwischen Wortsinn und Wortbedeutung führt zu Verwirrung.
Die Einsicht: Wieso das denn?
Herr Großhans: Nehmen Sie mal die Kindersprache. Die Kuh heißt Muh, die Katze Miau, der Hund Wauwau, die Ziege Määh. Der Klang der Worte entspricht in etwa den Lauten, den die Tiere von sich geben. Jetzt stellen Sie sich mal vor, gestörte Eltern machten sich einen Spaß und brächten ihren Kindern bei, die Kuh Miau, die Katze Wauwau, den Hund Määh und die Ziege Muh zu nennen. Psychische Schäden wären vorprogrammiert.
Die Einsicht: Kann man unbedenklich den Ausdruck Antisemitismus anwenden, wenn man immer bedenkt, dass Araber nicht damit gemeint sind?
Herr Großhans: Nein, der Begriff des Antisemitismus ist nicht eindeutig definiert. Wir haben die Wörter Judenfeindlichkeit und Judenhass. Diese sind präzise und für den Schutz der Juden völlig ausreichend. „Antisemitismus“ ist dagegen ein Kampfausdruck, mit dem der politische Gegner, auch wenn er ein Freund der Juden ist, verunglimpft werden soll. Er ist wie Fischfarbe [vgl. Anmerkung-2] .
Die Einsicht: Können Sie ein Bespiel nennen?
Herr Großhans: Herr Dr. Michael Wolffsohn, emeritierter Professor an der Bundeswehrschule München hat kürzlich den Begriff des Antiisraelitismus verwendet. Damit meint er eine ablehnende Einstellung zur Politik des Staates Israel. Dann hat er die Behauptung aufgestellt, dass Antiisraelistismus immer auch Antisemitismus sei. Nach der Unlogik des Herr Wolffsohn ist jeder, der die Politik und Kriegsführung des Staates Israel kritisiert, ein Antisemit. Das träfe dann auf einen erheblichen Teil der in Israel lebenden Juden zu.
Die Einsicht: Herr Prof. Dr. Großhans, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Anmerkung-1: Die Widersprüchlichkeit wird deutlich, wenn man andere Quelle dazu aufruft:
- Semit: Angehöriger einer eine semitische Sprache sprechender Völker (DUDEN, 28. Auflage, S. 1035f.)
- Antisemitismus: Abneigung oder Feindschaft gegenüber Juden (DUDEN, S. 207),
- semitische Sprachen: Zweig der afroasiatischen Sprachfamilie - Arabisch, Aramäisch, Amharisch, Hebräisch, Kabylisch, Tigrinya u.a. (https://de.wikipedia.org/wiki/Semitische_Sprachen, 03.01.2024, 17:48)
Anmerkung-2: Während der Verbotszeit vermischten Kommunisten Lackfarbe mit einem Sud aus Abfällen, die in Fischfabriken anfielen. Die so gewonnene Fischfarbe ätzte sich in Betonflächen ein und war nicht mehr wegzukriegen.
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