Montag, 8. Januar 2024

Begriff und Meinungsmanipulation

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 4 aus 24 vom 9.1.2024

 Gespräch mit Prof. Dr. Emil Großhans, Bochum 1

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In der Einsicht vom 7.1.2024 haben wir mit Prof. Großhans über die Begriffsvertauschung gesprochen. Hierzu erreichte uns folgende Zuschrift von Herrn Karl-Heinz Holderberg aus Bledt 2 : „Ich habe Schwierigkeiten mit der Begriffsvertauschung. Was ein Synonym und was ein Homonym ist, habe ich verstanden, was aber ist ein Begriff?“ Darüber sprach die Einsicht mit Herrn Großhans.

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Die Einsicht: Herr Großhans, im Zusammenhang mit der Begriffsvertauschung fragt unser Leser Karl-Heinz Holderberg danach, was ein Begriff ist.
 
Herr Großhans: Eine ausgezeichnete Frage. Wie ich zuletzt festgehalten habe, wird die Begriffsvertauschung in den Schulen und Universitäten nicht gelehrt. Mit dem Wort Begriff ist es so: wenn es in den Medien benutzt wird, dann in mindestens über 95% aller Fälle falsch. Dieser massenhafte Falschgebrauch dient Manipulationszwecken oder ist auf Unverständnis zurückzuführen.

Die Einsicht: Jetzt geht es uns wie Herrn Holderberg. Wir bitten um weitere Erklärung.

Herr Großhans: In den Medien wird das Wort Begriff als Synonym für Wort oder Ausdruck verwendet. Richtigerweise ist aber Begriff das von einem Wort Gemeinte, ein Gedankengebilde. Das Wort ist ein Zeichen des Begriffs, selber aber kein Begriff.

Die Einsicht: Sind das nicht übertriebene Feinheiten?

Herr Großhans: Nehmen Sie mal an, vor Ihnen läge ein Apfel, daneben das Bild eines Apfels. Kämen Sie auf die Idee, in das Bild zu beißen? Wer das Wort Begriff für ein Synonym für Wort hält, kann die Begriffsvertauschung nicht verstehen. Die wäre dann gleichbedeutend mit Wortvertauschung, das passt nicht, da werden nämlich nicht Wörter, sondern Bedeutungen = Begriffe vertauscht.

Die Einsicht: Können Sie noch Beispiele nennen?

Herr Großhans: Suchbegriff statt Suchwort, Kampfbegriff statt Kampfausdruck. Fachbegriff statt Fachausdruck. Schon im Kinderfernsehen wird der Falschgebrauch des Wortes Begriff propagiert. Nehmen Sie die Sendung dingsda. Da wird gefragt: „Welchen Begriff suchen wir?“ Gemeint ist natürlich ein Wort und kein Begriff.

Die Einsicht: Wie haben Sie den Falschgebrauch des Wortes Begriff herausgefunden?

Herr Großhans: Der Falschgebrauch des Wortes Begriff ist keine Entdeckung von mir. Er ist bei Wikipedia nachzulesen. Eingeweihten ist er bekannt. In Kultusministerien, Universitäten, Schulen und Zeitungsredaktionen sitzen zig-Tausende, ja vielleicht Hunderttausende hochqualifizierte Germanisten und Journalisten, die täglich die deutsche Sprache beobachten. Da muss doch der Falschgebrauch des Wortes Begriff längst aufgefallen sein. Wenn der Falschgebrauch des Wortes Begriff nicht von höchster Stelle beanstandet wird, beispielsweise durch die Gesellschaft für deutsche Sprache, dann gibt es dafür nur die Erklärung, dass das Volk dumm gehalten werden soll und Begriffsvertauschungen nicht erkannt werden sollen.

Die Einsicht: Herr Großhans, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


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