Sonntag, 21. April 2024

Repressalien gegen Israelkritik

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 20 v0m 24.03.2024

 Gespräch mit Herrn Dr. jur. Friedrich Strauch, Münster 

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Am 16.12.2024 haben wir mit Herrn Dr. Strauch über die Möglichkeit von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen israelkritische Äußerungen in Deutschland gesprochen. Herr Strauch hat die Auffassung vertreten, dass strafrechtliche Maßnahmen gegen sachliche Israelkritik objektivrechtlich nicht möglich sind, mit ihnen aber gerechnet werden muss, wenn Rechtsbeugung zur Anwendung kommt. Kürzlich ist ein Fall von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu verzeichnen gewesen. Hierüber sprach die Einsicht mit Herrn Strauch. 

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Die Einsicht: Herr Strauch, von welchem verwaltungsrechtlichen Fall sprechen wir? 

Herr Strauch: Vor zwei Wochen wollte der Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ einen Kongress in Berlin durchführen. Um eine rechtliche Handhabe für das beabsichtigte Verbot zu schaffen, definierten die Behörden die geplante Saalveranstaltung um und behaupteten, es handelte sich um eine öffentliche Versammlung, weil sich vor dem Kongressgebäude eine Warteschlange gebildet hatte. 

Die Einsicht: Was ist von dieser Argumentation zu halten. 

Herr Strauch: Für mein Verständnis ist das hinterf… 

Die Einsicht: Ist das denn nicht auch Rechtsbeugung? 

Herr Strauch: Das ist wohl nicht der Fall, weil die Voraussetzungen des § 356 StGB nicht gegeben sind. Aus Platzgründen kann ich das hier nicht weiter ausführen. 

Die Einsicht: Ist es denn möglich, dagegen noch irgendetwas machen? 

Herr Strauch: Die UZ titelte, dass der Rechtsweg ausgeschlossen sei. Das könnte aber etwas ungenau sein. Richtig ist, dass effektiver Rechtsschutz aufgrund der Kürze der Zeit nicht mehr gegeben war. Es gibt aber wohl die Möglichkeit der sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage. Damit kann man beim Verwaltungsgericht die Feststellung beantragen, dass ein vollzogener Verwaltungsakt rechtswidrig war.

 Die Einsicht: Sollten die Veranstalter dies Weg gehen? 

Herr Strauch: Das ist natürlich mit einem Kostenrisiko verbunden. 

Die Einsicht: Wie bewerten diesen Vorgang im Gesamtzusammenhang von Maßnahmen gegen Israelkritik? 

Herr Strauch: Rechtswidrige straf- und polizeirechtliche Maßnahmen sind zwei Seiten derselben Medaille. Es geht um die rechtswidrige Einschränkung der grundrechtlichen geschützten Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit. Besonders bedenklich ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund der „Staatsräsontheorie“, die so interpretiert wird, als habe sich die deutsche Politik immer der aktuellen politischen Linie Israels zu folgen haben. Das läuft darauf hinaus, Israel die Macht einzuräumen, die deutsche Politik zu bestimmen. Das ist mit der Souveränität der Bundesrepublik und dem Demokratieprinzip nicht vereinbar. 

Die Einsicht: Herr Strauch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Samstag, 23. März 2024

Über Ideologie

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 15 aus 2024 vom 25.3.2024 _______________________________________________

 „Ideologie“ ist ein recht geläufiges Wort. Seine Bedeutung ist nicht immer klar. Wir wollen uns um Verständnis bemühen und darüber mit Herr Heinz Weber aus Torgau 1 sprechen. Dabei haben wir den Abschnitt über Ideologie aus dem Traktat über Logik und Sprache von Wilhelm Rettler verwendet. (Name und Ort von der Redaktion geändert.)

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Die Einsicht: Herr Weber, was ist Ideologie?

Herr Weber: Friedrich Engels sagte, die Ideologie ist ein Prozess, der zwar mit Bewusstsein vom sogenannten Denker vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewusstsein. 2 An anderer Stelle sagte er, erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes, dann dreht man den Spieß um und misst den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten. (MEW 39, 97) Also: Ideologie ist falsches Bewusstsein. (3 MEW 20, 89)

Die Einsicht: Gibt es auch andere Definitionen?

Herr Weber: Durchaus, es ist daran zu erinnern, dass die Theoretiker im Philosophischen Wörterbuch die sozialistische Ideologie als den Marxismus-Leninismus bezeichnen. Kombiniert man damit die Definition von Engels so würde daraus logisch folgern, dass der Marxismus-Leninismus das falsche sozialistische Bewusstsein ist. Die Definition im Philosophischen Wörterbuch ist damit ad absurdum geführt.

Die Einsicht: Wie ist die Diskussion über die unterschiedlichen Definitionen zu beurteilen?

Herr Weber: Die Verwendung des richtigen Ideologiebegriffs kann gar nicht überschätzt werden. Der Ausdruck Ideologie erfreut sich heute in bürgerlichen Kreisen großer Beliebtheit. Er hat sich zu einem pejorativen Kampfausdruck entwickelt. Er wird gerne verwendet, wenn man den Gegner beschimpfen will. Die Verwendung des Wortes ideologisch ist in der Regel ein sichereres Zeichen für Polemik und oft der Versuch geistigen Totschlags. Die Kommunisten sollten der bürgerlichen Ideologie, also dem falschen Bewusstsein der Bourgeoisie, nicht die „sozialistische Ideologie“ entgegensetzen, sondern die wissenschaftliche Weltanschauung. Sonst kann ihnen vorgeworfen werden, sie hätten falsches Bewusstsein.

Die Einsicht: Herr Weber, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Samstag, 16. März 2024

Über historischen Materialismus

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 14 aus 24 vom 16.3.2024

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Kürzlich brachte St. Messerschmidt auf Facebook ein Zitat von Marx aus Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort, MEW 13, 9. Es handelt sich um einen bedeutenden Text, der weitreichende Schlussfolgerungen zulassen könnte. Die Einsicht sprach darüber mit Herrn Rettler.

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Die Einsicht: Herr Rettler, diese Einsicht ist mit „Über historischen Materialismus“ überschrieben. Können Sie zunächst erklären, was historischer Materialismus bedeutet.

Herr Rettler: Für mich ist historischer Materialismus die Anwendung des dialektischen Materialismus auf die Geschichte.

Die Einsicht: Da stellt sich die Frage, was dialektischer Materialismus ist.

Herr Rettler: Das würde im Rahmen dieser Einsicht zu weit führen. Lassen Sie mich Marx aus MEW 13, 9 zitieren.

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“ 

Die Einsicht: Was sind Produktivkräfte und was sind Produktionsverhältnisse:

Herr Rettler: Zu den Produktivkräften gehören alle subjektiven und gegenständlichen Faktoren des Produktionsprozesses, z.B. die Menschen und die Produktionsmittel. Zu den Produktionsverhältnissen sind Verhältnisse zwischen den Menschen im Prozess der Produktion.

Die Einsicht: Dann spricht man also von kapitalistischen Produktionsverhältnissen, weil es um die Verhältnisse zwischen den Menschen im Prozess der Produktion geht, nicht aber von kapitalistischen Produktivkräften.

Herr Rettler: Genau.

Die Einsicht: Warum ist nun das Marx-Zitat aus 13, 9 so wichtig. 

Herr Rettler: Wenn man die Geschichte des Sozialismus betrachtet, so ist dies auch eine Geschichte von Niederlagen. Dies mit Verrat oder Dummheit zu erklären, erscheint zu kurz gegriffen. Wenn man sich den Text von Marx vor Augen hält, dann stellt sich die Frage, ob die Verhältnisse nicht reif genug für den Sozialismus waren. In diesem Sinne könnte man Lenins NÖP (Neue Ökonomische Politik) interpretieren. Eine ähnliche Interpretation bietet sich bezüglich der Wirtschaftspolitik Chinas an, die die kapitalistische Wirtschaft unter Macht der Partei instrumentalisiert.

Die Einsicht: Herr Rettler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.



Sonntag, 18. Februar 2024

Eristische Dialektik

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 11 aus 24 vom 19.2.2024 

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Gespräch mit Dr. sc. phil. Franz Brauder, Dresden

In der Einsicht vom 12.2.2024 haben wir uns mit den Gesetzen der Naturdialektik beschäftigt, insbesondere mit dem Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt, befasst. Unser Leser Karl-Heinz Holderberg hat die Frage aufgeworfen, inwiefern die eristische Dialektik etwas mit der Dialektik von Engels oder Hegels zu tun hat. Darüber sprach die Einsicht mit Herrn Dr. sc. phil. Brauder, Dresden.

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Die Einsicht: Herr Brauder, was hat die eristische Dialektik mit der Dialektik von Friedrich Engels zu tun?

Herr Brauder: Kaum etwas. Die eristische Dialektik ist von dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer formuliert worden. Im Gegensatz zur Dialektik von Engels, die für sich in Anspruch nimmt, allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die in Natur und Gesellschaft herrschen, festzustellen, geht es Schopenhauer um den Dialog, jedoch um den unfairen Dialog, um die Kunst Recht zu bekommen auch, wenn man nicht im Recht ist.

Die Einsicht: Ist das denn nicht verwerflich?

Herr Brauder: Natürlich ist das verwerflich.

Die Einsicht: Ist die eristische Dialektik von Schopenhauer eine verwerfliche Schrift?

Herr Brauder: Ich denke nein. Schopenhauer wollte seine Leser nicht zum Manipulieren ermuntern, sondern im Gegenteil über Manipulation aufklären.

Die Einsicht: Kann denn seine Schrift missbraucht werden?

Herr Brauder: Das ist natürlich möglich. Aber, wer sie studiert hat, ist gegen ihre Gefahren geschützt. Die Einsicht: Warum wird die eristische Dialektik in der DDR-Literatur nicht erwähnt?

Herr Brauder: Da müssen Sie die damaligen Verantwortlichen fragen. Das hängt wohl damit zusammen, dass Schopenhauer als reaktionärer Philosoph galt und man nicht wollte, dass sich seine Gedanken verbreiteten. Dahinter steckte aber ein Trugschluss, denn die eristische Dialektik als Aufklärungsschrift war politisch unbedenklich.

Die Einsicht: Wie meinen Sie das?

Herr Brauder: Wenn ein Denker oder Philosoph oder was auch immer Standpunkte einnimmt, dann sind die nicht immer derselben Richtung zuzuordnen. So sagt man Schopenhauer nach, er sei ein Monarchist gewesen. Das muss nicht bedeuten, dass alle seine Auffassungen monarchistisch gewesen sein müssen. Seine eristische Dialektik war nun nicht monarchistisch.

Die Einsicht: Herr Brauder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Freitag, 16. Februar 2024

Begriff und Meinungsmanipulation

Dialogische Mitteilung aus Wittenberg

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Gespräch mit Prof. Dr. Emil Großhans, Bochum 1

In der Einsicht vom 7.1.2024 haben wir mit Prof. Großhans über die Begriffsvertauschung gesprochen. Hierzu erreichte uns folgende Zuschrift von Herrn Karl-Heinz Holderberg aus Bledt 2 : „Ich habe Schwierigkeiten mit der Begriffsvertauschung. Was ein Synonym und was ein Homonym ist, habe ich verstanden, was aber ist ein Begriff?“ 

Darüber sprach die Einsicht mit Herrn Großhans. (Name und Ort von der Redaktion geändert)

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Die Einsicht: Herr Großhans, im Zusammenhang mit der Begriffsvertauschung fragt unser Leser Karl-Heinz Holderberg, was ein Begriff ist.

Herr Großhans: Eine ausgezeichnete Frage. Wie ich zuletzt festgehalten habe, wird die Begriffsvertauschung in den Schulen und Universitäten nicht gelehrt. Mit dem Wort Begriff ist es so: wenn es in den Medien benutzt wird, dann in über 95% aller Fälle falsch. Dieser grassierende Falschgebrauch dient auch zu Manipulationszwecken oder ist auf Unverständnis zurückzuführen.

Die Einsicht: Jetzt geht es uns wie Herrn Holderberg. Wir bitten um weitere Erklärung.

Herr Großhans: In den Medien wird das Wort Begriff als Synonym für Wort oder Ausdruck verwendet. Richtigerweise ist aber Begriff das von einem Wort Gemeinte, ein Gedankengebilde. Das Wort ist ein Zeichen des Begriffs, selber aber kein Begriff.

Die Einsicht: Sind das nicht übertriebene Feinheiten?

Herr Großhans: Nehmen Sie mal an, vor Ihnen läge ein Apfel, daneben das Bild eines Apfels. Kämen Sie auf die Idee, in das Bild zu beißen? Wer das Wort Begriff für ein Synonym für Wort hält, kann die Begriffsvertauschung nicht verstehen. Die wäre dann gleichbedeutend mit Wortvertauschung, das passt nicht, da  werden nämlich nicht Wörter, sondern Bedeutungen = Begriffe vertauscht.

Die Einsicht: Können Sie noch Beispiele nennen?

Herr Großhans: Suchbegriff statt Suchwort, Kampfbegriff statt Kampfausdruck. Fachbegriff statt Fachausdruck. Selbst im Kinderfernsehen wird der Falschgebrauch des Wortes Begriff propagiert. Nehmen Sie die Sendung dingsda. Da werden kleine Kinder gefragt: „Welchen Begriff suchen wir?“ Gemeint ist natürlich ein Wort und kein Begriff.

Die Einsicht: Wie haben Sie den Falschgebrauch des Wortes Begriff herausgefunden?

Herr Großhans: Der Falschgebrauch des Wortes Begriff ist keine Entdeckung von mir. Er steht schon bei Wikipedia. Eingeweihten ist er bekannt. In den Kultusministerien, Universitäten, Schulen und Zeitungsredaktionen sitzen zig-Tausende, ja vielleicht Hunderttausende hochqualifizierte Germanisten und Journalisten, die täglich die deutsche Sprache beobachten. Da müsste doch der Fehlgebrauch des Wortes Begriff längst beanstandet worden sein, Jedem, der wie und als verwechselt, was logisch völlig belanglos ist, wird gleich der Hals umgedreht 3 . Wenn der Falsch-gebrauch des Wortes Begriff nicht von höchster Stelle (Vgl. Rettler,W.: Traktat über Logik und Sprache, Wittenberg 2018, 65f.)beanstandet wird, dann gibt es dafür nur die Erklärung, dass das Volk dumm gehalten werden und Begriffsvertauschungen nicht erkennen soll.

Die Einsicht: Herr Großhans, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. 


Verantwortlich: Dr. Wilhelm Rettler, Bachstraße 22

06886 Lutherstadt Wittenberg, Druck: Eigendruck

Sonntag, 11. Februar 2024

Punktsieg für die Dialektik

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg vom 11.02.2024 

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Gespräch mit Dr. sc. phil. Franz Brauder, Dresden


Das Wort Dialektik kommt aus dem Griechischen. Das griechische „dialego“ heißt: Ich führe ein Gespräch, unterhalte mich. Unter Dialektik verstanden die griechischen Philosophen die Kunst, in Streitgesprächen die Widersprüche und Fehler im eigenen Denken und dem der Diskussionspartner aufzudecken und durch ihre gemeinsame Aufdeckung der Wahrheit auf die Spur zu kommen[1]. In seinem Buch „Dialektik der Natur“ beschrieb Friedrich Engels, die Dialektik als Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs und wandte ihre Gesetze auf die Natur an. Insbesondere formulierte er drei Gesetze der Dialektik: das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt; das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze; das Gesetz von der Negation der Negation.[2] Das Wissen um die Grundgesetze der Dialektik gehörte in der DDR zum allgemeinen Schulwissen. Nach den Ereignissen von 1989 ganz gleich, ob man sie als Wende, friedliche Konterrevolution oder sonst wie bezeichnet, wurde diese Lehre verdrängt. Sie erlitt dasselbe Schicksal wie der Palast der Republik und das der Hochschullehrer der DDR, die gnadenlos abgerissen bzw. abgewickelt wurden. Dr. sc. Franz Brauder, Dresden, weist nun darauf hin, dass sich zumindest ein Gesetz der Dialektik wieder durchgesetzt hat. Die Einsicht sprach mit Herrn Dr. Brauder.

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Die Einsicht: Herr Brauder, wir verstehen nicht, was Sie meinen, wir haben nichts davon mitbekommen, dass sich ein Gesetz der Dialektik wieder durchgesetzt hat.

Herr Brauder: Es hat sich ja auch nicht offensichtlich durchgesetzt, sondern sozusagen nur heimlich.

Die Einsicht: Das wird ja immer undurchsichtiger.

Herr Brauder: Friedrich Engels hat den Anspruch gehabt, allgemeine Gesetze, die in der Natur, aber auch in der Gesellschaft Gültigkeit besitzen, beschrieben zu haben. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder die Gesetze der Dialektik entsprechen der Wahrheit oder nicht. Wenn sie es tun, dann ist diese Lehre wahr, zumindest in diesem Punkt, wenn nicht, dann ist sie falsch.

Die Einsicht: Das ist ja wohl eine Binsenwahrheit.

Herr Brauder: Ja, aber nach dem Sieg der friedlichen Konterrevolution hat man die Dialektik ungeprüft auf den Müll geworfen.

Die Einsicht: Und worin besteht der Punktsieg der Dialektik?

Herr Brauder: Die Erkenntnis von der Richtigkeit des Gesetzes von Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt hat sich wieder durchgesetzt. Man spricht nur schamhaft von Kipppunkten, insbesondere bei Klimaveränderungen. Es wird zugegeben, dass eine allmähliche Erwärmung des Klimas eine besonders starke oder sogar abrupte Klimaänderungen nach sich ziehen kann. Das Klima kann zum Beispiel bei bestimmten Veränderungen der Temperatur mit starken Veränderungen im System reagieren.

Die Einsicht: Die „neuen“ Erkenntnisse unter dem Namen Kipppunkte hätte man also schon längst gewinnen können, wenn man Engels‘ Naturdialektik frühzeitig studiert hätte.

Herr Brauder: Auf jeden Fall, aber davon haben sich bürgerliche Wissenschaftler durch antikommunistische Vorurteile abhalten lassen. 

Die Einsicht: Herr Brauder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

[1] Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus, Frankfurt 1972, S. 34

[2] MEW 20, S 348

Sonntag, 4. Februar 2024

Ist Frau Dr. Sahra Wagenknecht eine Kommunistin?

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 9 aus 24 vom 04.02.2024 

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Gespräch mit Dr. Wilhelm Rettler

Genau das hat Herr Dr. Hans-Georg Maaßen, seinerzeit Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der sich gerade anschickt, eine neue Partei rechts von der CDU zu gründen, behauptet. Die Einsicht sprach darüber mit Dr. Wilhelm Rettler, der im vergangenen Jahr ein Thesenpapier zu der Frage veröffentlicht hat, wer sich als Kommunist bezeichnen darf.

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Die Einsicht: Herr Rettler, was halten Sie von der Behauptung des Herr Maaßen, dass Frau Wagenknecht eine Kommunistin sei?

Herr Rettler: Im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es den schönen Paragrafen 118. Da steht folgenden drin: „Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel der Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig.“ Die Vorschrift passt nur sehr analog, die Äußerung des Herrn Maaßen ist keine Willenserklärung, aber sie ist offensichtlich nicht ernstlich gemeint.

Die Einsicht: Woraus schließen Sie das?

Herr Rettler: Herr Maaßen ist ein intelligenter Mann. Als ehemaliger oberster Verfassungsschützer hat er sich intensiv damit beschäftigt, wer ein Kommunist bzw. eine Kommunistin ist. Er weiß genau, dass Frau Wagenknecht keine ist. Mit seinem Gerede will er Frau Wagenknecht schlecht machen oder anders gesagt verunglimpfen. Andere Politiker aus CDU und, ich meine auch der AFD, haben sich schon damit hervorgetan, Mitglieder der Partei die Linke wider besseres Wissen als Kommunisten zu bezeichnen. Das erfüllt den Tatbestand der Beleidigung.

Die Einsicht: Woran machen Sie es fest, dass Frau Wagenknecht keine Kommunistin ist?

Herr Rettler: Da gibt es zwei Kriterien, ein inhaltliches und ein formales.

Die Einsicht: Was besagt das inhaltliche Kriterium?

Herr Rettler: Das Statut der DKP nennt als Ziel den Kommunismus, eine Gesellschaft, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt, ein sorgsamer Umgang mit der Natur gesichert und die freie Entwicklung aller ermöglicht ist. Analytisch eint die Kommunisten die Überzeugung, dass wir in einer Klassengesellschaft leben, die es abzuschaffen gilt, so wie es im Manifest der Kommunistischen Partei steht. Wer dies negiert, der ist kein Kommunist. Frau Wagenknecht ist eine Anhängerin der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Sie will den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern ihn reformieren.

Die Einsicht: Was besagt das formale Kriterium?

Herr Rettler: Dass derjenige, der Kommunist sein will, Mitglied der Kommunistischen Partei sein muss, aber das ist für Frau Wagenknecht ohne Bedeutung, weil sie nicht Mitglied der Kommunistischen Partei ist.

Die Einsicht: Herr Rettler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


Repressalien gegen Israelkritik

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 20 v0m 24.03.2024  Gespräch mit Herrn Dr. jur. Friedrich Strauch, Münster  _____________________...