Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 25 vom 25.5.2024
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In der letzten Einsicht haben wir mit Herrn Rettler über das Höcke-Urteil gesprochen. Dagegen haben unsere Leser Johannes Schnell aus Stuttgart1 und Franz Bauer aus Sonneberg2 Protest erhoben. Über ihre Einwendungen sprachen wir mit Herrn Rettler.
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Die Einsicht: Herr Rettler. Sie haben gesagt, dass es darum geht, ob Herr Höcke die streitgegenständlichen Worte im Wissen und Wollen, dass es sich um eine Parole der SA gehandelt hat, verwendet hat. Das Bestreiten des Herrn Höcke sei nicht abwegig. Herrn Schnell hat darauf erwidert, er sei davon überzeugt, dass Herr Höcke diesen SA-Spruch in vollem Wissen benutzt hat. Zu behaupten, den Spruch bzw. dessen Herkunft nicht gekannt zu haben, sei eine der lächerlichsten und unglaubwürdigsten Aussagen, die er jemals gehört habe. Wollen Sie an Ihrer Einschätzung festhalten?
Herr Rettler: Ich habe mich zugegebenermaßen von der Verteidigung des Herrn Höcke in Boxhorn jagen lassen. Die ist immer darauf herumgeritten, dass die Parole bereits vor den Nazis verwendet worden ist, u.a. von einer sozialdemokratischen Organisation. Dann habe ich gesagt, wenn Herr Höcke ohne Vorsatz gehandelt hätte, dann wäre das Urteil rechtswidrig. Jetzt sehe ich die Dinge anders.
Die Einsicht: Was ist denn neu.
Herr Rettler: In der öffentlichen Diskussion ist ein wesentlicher strafrechtlicher Gesichtspunkt außer Betracht geblieben, der bedingte Vorsatz.
Die Einsicht: Was ist das denn?
Herr Rettler: Der bedingte Vorsatz liegt vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung weder anstrebt noch für sicher, sondern für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Die Einsicht: Das hört sich alles etwas kompliziert an.
Herr Rettler: Der Spruch Alles ... ist typischer Nazijargon. Das wusste Herr Höcke, als er ihn in den Mund nahm. Also hat er mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
Die Einsicht: Herr Schnell hat Ihnen eine fehlerhafte Bezugnahme auf den kategorischen Imperativ vorgeworfen.
Herr Rettler: Das sehe ich nicht so. Ich habe gesagt, dass ich rechtswidrige Urteile auch dann schlecht finde, wenn sie gegen den politischen Gegner ergangen sind.
Die Einsicht: HerrBauer hat die Verwendung des Begriffs Rechtsstaat beanstandet. Es sei ein Begriff des Klassengegners.
Herr Rettler: Da muss ich zuerst Widerspruch gegen die Verwendung des Wortes „Begriff“ erheben. Das kann ich aber an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Richtig ist, dass der Begriff des Rechtsstaates ideologisch aufgeladen ist und zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Klassenverhältnisse gebraucht wird. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, vom bürgerlichen Staat unsere bürgerlichen und demokratischen Rechte einzufordern. Illusionen dürfen wir uns dabei nicht machen.
Die Einsicht: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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