Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 23 aus 2024 vom 13.5.2024
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Die Wittenberger Judensau ist ein Sandsteinrelief, das seit ca. 1300 an der Stadtkirche Wittenberg angebracht ist. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen Menschen saugen, bei denen es sich um Juden handeln soll. Ein Rabbiner blickt dem Tier in den After. Die Wittenberger Stadtväter und auch die Gerichte haben bislang die Beseitigung der Judensau abgelehnt. Die Einsicht sprach darüber mit Herrn Dr. iur. Rettler.
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Die Einsicht: Herr Rettler, was halten Sie von der Judensau?
Herr Rettler: Sie ist ein widerwärtiges Unwerk.
Die Einsicht: Was ist denn ein Unwerk, dieses Wort haben wir noch nie gehört.
Herr Rettler: Das habe ich mir ausgedacht, weil die deutsche Sprache ein passendes für so ein Ding nicht hat.
Die Einsicht: Soll die Judensau von der Stadtkirche entfernt werden?
Herr Rettler: Bitte verwenden Sie in diesem Interview das Wort J... nicht mehr. Es ist ein Euphemismus. Es beschönigt den Charakter des Unwerks. Ich bin unbedingt für die Entfernung und verstehe überhaupt nicht, wie Menschen, die sich für Demokraten halten, auf die Idee kommen können, sich für den Erhalt dieses Unwerks einzusetzen.
Die Einsicht: Die Stadtkirchengemeinde hat doch eine Bodenplatte vor dem Unwerk angebracht, worin auf den Völkermord an den Juden im sogenannten Dritten Reich hingewiesen wird.
Herr Rettler: Derartige Hinweistafeln können das permanent von dem Unwerk ausgehende Unrecht nicht ansatzweise mindern.
Die Einsicht: Ist denn die Aufrechterhaltung des Unwerks nicht unter historischen Aspekten zu rechtfertigen? Immerhin hängt es schon seit Jahrhunderten an der Stadtkirche.
Herr Rettler; Es ist eine seit Jahrhunderten andauernde Beleidigung des jüdischen Volkes, die sich ständig wiederholt. So eine Straftat kann nicht verjähren und nicht verwirken. Das Unwerk gehört nicht in die Öffentlichkeit, sondern ins Archiv.
Die Einsicht: Hat das Verhalten der Befürworter des Verbleibens des Unwerks an der Stadtkirche etwas mit Antisemitismus zu tun?
Herr Rettler: Das Wort Antisemismus lehne ich ab. Es ist ein Falschwort, wie ich an anderer Stelle dargelegt habe. Ich verwende die Wörter Judenhass und Judenfeindlichkeit. Das Wort Antisemitismus ist für Palästinensergegner äußerst praktisch, weil es nicht definiert ist und so unüberprüfbar als Kampfwort eingesetzt werden kann. Seltsam ist, dass dieselben Menschen, die sich für das Unwerk einsetzen, also gegen die Juden, sich auf die Seite Israels schlagen, wenn es gegen die Palästinenser geht. Das grenzt an Schizophrenie.
Die Einsicht: Herr Rettler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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