Montag, 3. Juni 2024

Tatbestandswidrigkeit indiziert Rechtswidrigkeit

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 27 vom 3.6.2024

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Wer über den Ukraine-Krieg spricht, sagt normalerweise dabei, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt. Für die Freunde der Ukraine versteht sich das von selbst. Es gibt aber Menschen, die sich für einen Frieden in der Ukraine einsetzen, aber trotzdem betonen, dass es sich aus Sicht Russlands um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt. In den letzten Tagen haben wir so Sevim Dagdelen, Daniele Ganser und Oskar Lafontaine gehört. Darüber sprechen wir mit Herr Dr. jur. Friedrich Strauch.

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Die Einsicht: Herr Strauch, darf man in Deutschland über den Ukraine-Krieg sprechen, ohne zu betonen, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt?

Herr Strauch: Normalerweise kann so etwas in Deutschland nicht strafbar sein, aber das Meinungsstrafrecht ist in Deutschland erheblich in Bewegung geraten. Am Ende spielt die Meinungsfreiheit keine Rolle mehr. Dieses Ende hat dann mit einer freiheitlichen demokratischen Ordnung nichts mehr zu tun. Spannender ist die Frage, ob man in Deutschland sagen darf, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine kein völkerrechtswidriger Angriffskrieg war.

Die Einsicht: Und wie stehen Sie dazu?

Herr Strauch: Ich will der Frage ausweichen und zunächst auf die Überschrift dieses Interviews eingehen: Tatbestandsmäßigkeit indiziert Rechtswidrigkeit.

Die Einsicht: Wir haben diese Überschrift auf Ihren Wunsch hin gewählt, was bedeutet sie?

Herr Strauch: Unseren nicht juristischen Lesern ist zu sagen, dass in der theoretischen Konstruktion eines Verbrechens an erster Stelle der Tatbestand steht. Sind die tatsächlichen Erfordernisse eines Tatbestandes erfüllt, dann sagt man, dass die Rechtswidrigkeit der Handlung indiziert ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Handlung rechtswidrig ist, insbesondere nicht, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen.

Die Einsicht: Sie meinen also, Russland könnte angegriffen, aber gleichzeitig Rechtfertigungsgründe gehabt haben?

Herr Strauch: Im Tatsächlichen ist mir da vieles unklar. Für die russische Seite wird u.a. geltend gemacht, dass die ukrainische Regierung im Jahre 2014 durch einen von den USA initiierten Putsch an die Macht gekommen ist, die ukrainische Regierung einen Bürgerkrieg gegen die Bevölkerung im Don-Bas mit 14.000 Toten Zivilisten geführt hat. Ich sage nicht, dass der Krieg Russlands juristisch gerechtfertigt war, weil mir für eine solche Erklärung die notwendigen Detailkenntnisse fehlen.

Die Einsicht: Herr Strauch, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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