Die Einsicht
Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 53 aus 24 vom 30.9.2024
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Der Verfassungsgerichtshof des Landes Thüringen hat dem Antrag der CDU auf Zulassung der Änderung der Geschäftsordnung des Landtages vor Konstituierung eines neuen Landtages entsprochen. Es handelt sich um bundesweit einen einmaligen Vorgang, der bezweckte, das Vorschlagsrecht der stärksten Fraktion, der AfD, für einen neuen Landtagspräsidenten zu unterlaufen. Darüber sprach die Einsicht mit Herrn Dr. iur. Rettler von der DKP Wittenberg.
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DieEinsicht: Herr Rettler, handelt es sich bei der neuen Geschäftsordnung des Thüringer Landtags um ein Einzelfallgesetz?
HerrRettler: Gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz muss ein Gesetz, durch das ein Grundrecht eingeschränkt werden kann, oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Streng genommen ist die neue Thüringer Geschäftsordnung kein Einzelfallgesetz, weil sie künftig allgemein gelten soll. Es geht ja auch nicht um Grundrechtseinschränkung. Ich finde aber, dass sie und ihr Zustandekommen dem widerspricht, was von den Herrschenden in diesem Land normalerweise als rechtsstaatlich bezeichnet wird. Aber das kennen wir wir ja schon aus den vergeblichen Wahlen der AfD für das Amt des Vizepräsidenten des Bundestagstages. Aus dem Verhalten der anderen Bundestagsparteien hierzu spricht für mich eine rechtsstaatswidrige Gesinnung.
DieEinsicht: Ist es nicht merkwürdig, wenn Sie als Kommunist, sich auf eine rechtsstaatliche Argumentation berufen?
HerrRettler: Der reine Rechtsstaat, in dem alles nach Recht und Gesetz geregelt wird, ist sicherlich eine Fiktion. Gerade, wenn bestimmte Interessen, insbesondere Klasseninteressen berührt sind, können und werden Entscheidungen zugunsten eines Interesses und gegen die Rechtsgleichheit ausfallen. Das Gegenteil des Rechtsstaats ist der Willkürstaat. Da macht der Staat, was er will. Wir Kommunisten müssen froh sein, wenn wir uns bei juristischen und politischen Auseinandersetzungen auf den Rechtsstaat berufen können, wenngleich das auch nicht immer Erfolg hat. Berühmte Negativbeispiele sind das Verbot der KPD im Jahre 1956 und die Berufsverbote. Zurzeit befinden wir uns wieder in dem Stadium eines reaktionär-militaristischen Staatsumbaus. Hier gilt es besonders, demokratische Rechte zu verteidigen.
DieEinsicht: Warum wird seitens der sogenannten Altparteien so vehement gegen die AfD vorgegangen?
HerrRettler: Klassentheoretisch ist mir das ein Rätsel. Die Altparteien vertreten durchweg die Interessen der Monopolbourgeoisie. Die AfD tut das auch. Beide Lager eint ein militanterAntikommunismus und die bedingungslose Unterstützung Israels im Nah-Ost-Konflikt. Allein im Ukraine-Krieg hebt sich die AfD von den Altparteien ab. Familien- und sexualpolitisch vertritt die AfD Positionen, die teilweise von denen der sogenannten Altparteien abweichen. Vielleicht sehen die ihre Pfründe wegschwimmen, immerhin geht es da um sehr viele gut bezahlte Posten.
DieEinsicht: Was ist mit Patriotismus und Nationalismus?
HerrRettler: Manche Protagonisten der AfD lassen leise den Eindruck aufkommen, als sympathisierten sie mit dem Hitlerfaschismus. Dies lehne ich entschieden ab. Man muss aber berücksichtigen, dass CDU und FDP maßgeblich unter Mitwirkung von ehemaligen Nazi-Größen aufgebaut worden sind. Bundespräsident Heinrich Lübcke war in seinem früheren Leben KZ-Baumeister, der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg Hans Filbinger, war in seinem früheren Leben Marine-Richter, der an Todesurteilen wegen Fahnenflucht beteiligt war, und der Verfasser der Rassegesetze der Nazis, Hans Globke, schaffte es bis zum Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer. NSDAP-Mitglied Kurt Georg Kiesinger wurde nach seinem Eintritt in die CDU gar Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Wenn schon Antifaschismus, dann aber richtig.
DieEinsicht: HerrRettler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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