Sonntag, 11. Februar 2024

Punktsieg für die Dialektik

 Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg vom 11.02.2024 

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Gespräch mit Dr. sc. phil. Franz Brauder, Dresden


Das Wort Dialektik kommt aus dem Griechischen. Das griechische „dialego“ heißt: Ich führe ein Gespräch, unterhalte mich. Unter Dialektik verstanden die griechischen Philosophen die Kunst, in Streitgesprächen die Widersprüche und Fehler im eigenen Denken und dem der Diskussionspartner aufzudecken und durch ihre gemeinsame Aufdeckung der Wahrheit auf die Spur zu kommen[1]. In seinem Buch „Dialektik der Natur“ beschrieb Friedrich Engels, die Dialektik als Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs und wandte ihre Gesetze auf die Natur an. Insbesondere formulierte er drei Gesetze der Dialektik: das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt; das Gesetz von der Durchdringung der Gegensätze; das Gesetz von der Negation der Negation.[2] Das Wissen um die Grundgesetze der Dialektik gehörte in der DDR zum allgemeinen Schulwissen. Nach den Ereignissen von 1989 ganz gleich, ob man sie als Wende, friedliche Konterrevolution oder sonst wie bezeichnet, wurde diese Lehre verdrängt. Sie erlitt dasselbe Schicksal wie der Palast der Republik und das der Hochschullehrer der DDR, die gnadenlos abgerissen bzw. abgewickelt wurden. Dr. sc. Franz Brauder, Dresden, weist nun darauf hin, dass sich zumindest ein Gesetz der Dialektik wieder durchgesetzt hat. Die Einsicht sprach mit Herrn Dr. Brauder.

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Die Einsicht: Herr Brauder, wir verstehen nicht, was Sie meinen, wir haben nichts davon mitbekommen, dass sich ein Gesetz der Dialektik wieder durchgesetzt hat.

Herr Brauder: Es hat sich ja auch nicht offensichtlich durchgesetzt, sondern sozusagen nur heimlich.

Die Einsicht: Das wird ja immer undurchsichtiger.

Herr Brauder: Friedrich Engels hat den Anspruch gehabt, allgemeine Gesetze, die in der Natur, aber auch in der Gesellschaft Gültigkeit besitzen, beschrieben zu haben. Nun gibt es zwei Möglichkeiten, entweder die Gesetze der Dialektik entsprechen der Wahrheit oder nicht. Wenn sie es tun, dann ist diese Lehre wahr, zumindest in diesem Punkt, wenn nicht, dann ist sie falsch.

Die Einsicht: Das ist ja wohl eine Binsenwahrheit.

Herr Brauder: Ja, aber nach dem Sieg der friedlichen Konterrevolution hat man die Dialektik ungeprüft auf den Müll geworfen.

Die Einsicht: Und worin besteht der Punktsieg der Dialektik?

Herr Brauder: Die Erkenntnis von der Richtigkeit des Gesetzes von Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt hat sich wieder durchgesetzt. Man spricht nur schamhaft von Kipppunkten, insbesondere bei Klimaveränderungen. Es wird zugegeben, dass eine allmähliche Erwärmung des Klimas eine besonders starke oder sogar abrupte Klimaänderungen nach sich ziehen kann. Das Klima kann zum Beispiel bei bestimmten Veränderungen der Temperatur mit starken Veränderungen im System reagieren.

Die Einsicht: Die „neuen“ Erkenntnisse unter dem Namen Kipppunkte hätte man also schon längst gewinnen können, wenn man Engels‘ Naturdialektik frühzeitig studiert hätte.

Herr Brauder: Auf jeden Fall, aber davon haben sich bürgerliche Wissenschaftler durch antikommunistische Vorurteile abhalten lassen. 

Die Einsicht: Herr Brauder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

[1] Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus, Frankfurt 1972, S. 34

[2] MEW 20, S 348

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