Sonntag, 18. Februar 2024

Eristische Dialektik

Dialogische Mitteilungen aus Wittenberg Nr. 11 aus 24 vom 19.2.2024 

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Gespräch mit Dr. sc. phil. Franz Brauder, Dresden

In der Einsicht vom 12.2.2024 haben wir uns mit den Gesetzen der Naturdialektik beschäftigt, insbesondere mit dem Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität und umgekehrt, befasst. Unser Leser Karl-Heinz Holderberg hat die Frage aufgeworfen, inwiefern die eristische Dialektik etwas mit der Dialektik von Engels oder Hegels zu tun hat. Darüber sprach die Einsicht mit Herrn Dr. sc. phil. Brauder, Dresden.

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Die Einsicht: Herr Brauder, was hat die eristische Dialektik mit der Dialektik von Friedrich Engels zu tun?

Herr Brauder: Kaum etwas. Die eristische Dialektik ist von dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer formuliert worden. Im Gegensatz zur Dialektik von Engels, die für sich in Anspruch nimmt, allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die in Natur und Gesellschaft herrschen, festzustellen, geht es Schopenhauer um den Dialog, jedoch um den unfairen Dialog, um die Kunst Recht zu bekommen auch, wenn man nicht im Recht ist.

Die Einsicht: Ist das denn nicht verwerflich?

Herr Brauder: Natürlich ist das verwerflich.

Die Einsicht: Ist die eristische Dialektik von Schopenhauer eine verwerfliche Schrift?

Herr Brauder: Ich denke nein. Schopenhauer wollte seine Leser nicht zum Manipulieren ermuntern, sondern im Gegenteil über Manipulation aufklären.

Die Einsicht: Kann denn seine Schrift missbraucht werden?

Herr Brauder: Das ist natürlich möglich. Aber, wer sie studiert hat, ist gegen ihre Gefahren geschützt. Die Einsicht: Warum wird die eristische Dialektik in der DDR-Literatur nicht erwähnt?

Herr Brauder: Da müssen Sie die damaligen Verantwortlichen fragen. Das hängt wohl damit zusammen, dass Schopenhauer als reaktionärer Philosoph galt und man nicht wollte, dass sich seine Gedanken verbreiteten. Dahinter steckte aber ein Trugschluss, denn die eristische Dialektik als Aufklärungsschrift war politisch unbedenklich.

Die Einsicht: Wie meinen Sie das?

Herr Brauder: Wenn ein Denker oder Philosoph oder was auch immer Standpunkte einnimmt, dann sind die nicht immer derselben Richtung zuzuordnen. So sagt man Schopenhauer nach, er sei ein Monarchist gewesen. Das muss nicht bedeuten, dass alle seine Auffassungen monarchistisch gewesen sein müssen. Seine eristische Dialektik war nun nicht monarchistisch.

Die Einsicht: Herr Brauder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.


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